Alles Eisen oder was?

Wenn Steinmetze und Steinbildhauer über Meißel sprechen, benutzen sie fast immer den Begriff Eisen.

Da gibt es Spitzeisen, Schlageisen, Beizeisen, Zahneisen, Scharriereisen und noch etliche mehr.

Interessanterweise besteht keines dieser Werkzeuge aus Eisen, sondern aus gehärtetem Stahl, oder aus Stahl mit einem Hartmetalleinsatz.

Warum „Eisen“ bei Steinmetzen so heißen und nicht wie bei anderen Handwerkern Meißel, konnte ich bis heute nicht herausfinden.

Weder wusste es jemand von meinen Bildhauer- oder Steinmetzkollegen, noch hat eine Recherche im Internet oder in einem meiner Fachbücher weitergeholfen.

Es liegt aber nahe, zu vermuten, dass die Meißel zu einem bestimmten Zeitpunkt (wahrscheinlich in der griechischen Klassik, ab 480 vor Christus) aus Eisen gemacht wurden und der Name dadurch entstanden ist.

Eine Erklärung warum die Steinmetze nicht Meißel sagten, wie andere, könnte darin liegen, dass jedes Handwerk seinen eigenen Jargon entwickelte (Holzmeißel werden ja auch als „Beitel“ bezeichnet).

Zum Teil war das wohl eher Zufall, zum Teil wollte man sich aber, auch durch die Sprache, von anderen abgrenzen.

Immerhin wurden die Geheimnisse der Steinbearbeitung, wie auch die der anderen Handwerkszünfte, sorgsam gehütet und nicht an Fremde weiter gegeben.

Da konnte ein wenig sprachliche Verwirrung nicht schaden.

 

 

Foto: Marilena Bekiertz

Welche Eisen gibt es also in der Steinbearbeitung?

Das wohl älteste ist das Spitzeisen.

Bereits die alten Ägypter benutzten es. Allerdings war deren „Eisen“ gar nicht aus Eisen, sondern aus Kupfer (wie auch noch im archaischen Griechenland).

Mit dem Spitzeisen kann man am besten größere Mengen an Material abtragen. Es wird daher meistens für grobe  Arbeiten verwendet.

In der griechischen Archaik wurde mit dem Spitzeisen fast alles bearbeitet. Der Grund dafür war einfach der, dass man aus Kupfer oder Bronze keine anderen Werkzeuge zur Bearbeitung von Marmor herstellen konnte.

 

Foto: Marilena Bekiertz

Das andere Eisen welches jeder kennt, ist das Schlageisen, also ein flacher Meißel mit gerader Schneide, wie man ihn auch in jedem Baumarkt findet (wenn auch nicht in vergleichbarer Qualität).

Das Schlageisen gibt es in verschiedenen Ausführungen.

Ist es schmal, vielleicht bis 10 mm Schneidenbreite, bezeichnet es der Steinmetz als Beizeisen.

Damit arbeitet man feine Linien in den Stein, zum Beispiel den Umriss einer Hand, einzelner Finger, oder in diesem Fall den Umriss einer steinernen Eule

 

Foto: Marilena Bekiertz

Ist es breiter, nennt der Steinmetz es Schlageisen. Damit zieht man bei der traditionellen Steinbearbeitung den Randschlag auf.

Das heißt man arbeitet eine schmale Fläche den Rand eines Steinblocks entlang.

Diese dient als Anhaltspunkt (oder vielleicht besser Anhaltslinie) für die weitere Bearbeitung.

Foto: Marilena Bekiertz

Ein Mittelding zwischen Spitzeisen und Schlageisen ist das Zahneisen.

Man könnte sagen, dass bei diesem mehrere Spitzeisen nebeneinander gelegt sind.

Weil es dadurch mehrere kleine Spitzen (die Zähne) hat, dringt es tiefer in den Stein, als das Schlageisen.

Durch die Ausrichtung der Zähne nebeneinander ist es aber genauer ausgerichtet als ein Spitzeisen, wodurch die Schlagwirkung kontrollierter ist.

Man verwendet es üblicherweise, wenn man an einem Punkt der Bearbeitung angekommen ist, an dem das Spitzeisen zu grob wird, und die Gefahr besteht, dass man damit zu tief in den Stein eindringt, während das Schlageisen noch zu fein ist, um effizient Material abtragen zu können.

Das Zahneisen ist später erfunden worden, als die beiden anderen. Einen genauen Zeitpunkt konnte ich dafür leider nicht finden.

Michelangelo beispielsweise hat das Zahneisen aber bereits meisterlich benutzt. Unter anderem gelang es ihm damit bei seinen Skulpturen die Struktur von Hautporen zu erzeugen.

Das Zahneisen hat mindestens zwei Spitzen, dann wird es auch als Hundszahn bezeichnet, kann aber viel mehr Spitzen haben.

Je feiner die Arbeit ist, für die man es benötigt, desto mehr Spitzen hat es. Im Steinmetzfachhandel habe ich Zahneisen mit bis zu zwölf feinen Spitzen gefunden.

Foto: Marilena Bekiertz

Darüber hinaus gibt es Schrifteisen, Bildhauereisen (beides letztlich schmale Schlageisen), Scharriereisen (ein sehr breites, flaches Eisen um gerade Oberflächen zu glätten, Stockeisen (die aussehen wie ein Fleischklopfer) ebenfalls um Oberflächen zu glätten, Eisen mit Rundschliff und gekröpfte Eisen (Eisen die an der Spitze einen leichten Knick haben) um schwer zugängliche Innenbereiche von Skulpturen zu bearbeiten.

Die meisten Teilnehmer meiner Kurse benutzen, wie schon im Altertum, ganz traditionell hauptsächlich Spitzeisen, Schlageisen und Zahneisen, auch wenn das gar keine Eisen mehr sind.

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