Wie archaische griechische Bildhauer ihre Eisen verwendeten (die noch gar nicht aus Eisen waren) und was wir davon lernen können.
Nicht nur die heutigen Bildhauereisen sind nicht aus Eisen. Auch im antiken Ägypten und in der archaischen, griechischen Bildhauerei wurde Eisen nicht zur Steinbearbeitung verwendet.
Es war zwar bereits erfunden, stand aber nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung und war extrem kostbar.
Eisen wurde zur Herstellung von Schmuckstücken und Waffen (häufig erwähnt werden beispielsweise Speerspitzen und Nägel) verwendet.
Die armen Steinbearbeiter mussten noch lange darauf warten.
Ägyptische Steinmetzen mussten sich noch mit Kupfermeißeln herum schlagen (mit denen man nur sehr weiche Steine bearbeiten konnte), griechische Bildhauer der Archaik verfügten immerhin schon über Bronzemeißel.
Aber auch damit hatte man nur eine Chance etwas vom Marmor, dem von den Griechen bevorzugten Material, abzutragen, wenn man mit dem Spitzeisen senkrecht auf den Stein schlug (das sogenannte Prellen).
Dabei wird durch den Schlag ein kleiner Teil der Oberfläche pulverisiert.
Der Vorteil ist, dass man dazu kein besonders spitzes Spitzeisen benötigt.
Die von den griechischen Bildhauern der Archaik verwendeten Spitzeisen aus Bronze waren relativ weich, und die Spitzen wurden schnell stumpf.
Trotzdem konnten sie damit Material abtragen. Allerdings war das ein langsamer und mühseliger Prozess.
Auf diese Weise kann man nämlich nur sehr schwer an einer Stelle tief eindringen, sondern muss immer wieder, Schicht für Schicht die Oberfläche abtragen, und sich dabei langsam um den Stein herum arbeiten.
Auch hervorstehende Details, wie zum Beispiel seitlich oder nach vorn ausgestreckte Arme, kann man mit dieser Methode nicht ausarbeiten.
Senkrechte, prellende Schläge auf ein hervorstehendes, schmales Marmorstück (wie eben einen Arm) würde dieses nach wenigen Schlägen (vielleicht schon beim ersten Schlag) abbrechen.
Eisen war dann schon deutlich härter. Allerdings weiß jeder Bildhauer und Steinmetz, der mit einem „Eisen“ gearbeitet hat, welches seine Härtung verloren hat, dass diese sehr schnell stumpf werden.
Aber kommen wir zurück, zur Arbeit der archaischen Bildhauer.
Wenn man mit einem prellenden Schlag senkrecht auf den Marmor schlägt, zerstört man das Kristallgitter des Marmors wesentlich tiefer, als bei einem flachen, abschälendem Schlag.
Das bedeutet, dass das in den Marmor einfallende Licht nicht mehr reflektiert wird und die Oberfläche stumpf erscheint.
Die Skulptur hat also überhaupt nicht den reinweiß glänzenden Aspekt, den wir für gewöhnlich mit griechischen und anderen Marmorskulpturen verbinden.
Dafür schien die raue, fast ein wenig orangenhautmäßige Oberfläche eine sehr gute Grundlage für Bemalung zu sein, weil die Farben darauf besser hafteten als auf poliertem Marmor (zumindest wenn man dem Archäologen Carl Blümel Glauben schenken will).
Gegen diese Annahme spricht, dass auch klassische und hellenistische Skulpturen mit fein geschliffenen oder polierten Oberflächen farblich gefasst wurden.
Aber es ist nicht die Farbe, auf die ich hinaus will.
Durch die technisch notwendige Rundum-Bearbeitung der Skulpturen, ohne stark hervorstehende Teile bekamen diese nämlich zwangsläufig einen geschlossenen, blockhaften Aspekt.
Archaische Jünglingsgestalten, die Kouroi, sind dafür ein Beispiel.
Dieser ruhige, reduzierte, wenn man will, fast meditative Aspekt, hat auch für manche heutige Bildhauer einen besonderen Reiz.
Die archaischen, griechischen Bildhauer hatten aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Werkzeuge nur diese Möglichkeit.
Ob sie davon geträumt haben, ihre Skulpturen anders, bewegter, lebensechter zu gestalten, wissen wir nicht.
Die Tatsache dass die Skulpturen in der Antike schon immer lebensecht bemalt wurden und sich mit dem Aufkommen neuen Werkzeugs drastisch änderten, lässt meiner Meinung nach, darauf schließen.
Die archaischen Bildhauer konnten aufgrund ihres Werkzeugs nicht aus einer großen Auswahl von Bearbeitungsmöglichkeiten wählen.
Wir heutigen Bildhauer dagegen haben diese Wahl sehr wohl und können, im Rahmen unserer Fähigkeiten entscheiden, ob wir unsere Skulpturen eher archaisch ruhig, oder hellenistisch bewegt gestalten wollen.