Steinblüten, ein Blick in die Werkstatt
Den Lesern meines Rundbriefs hatte ich versprochen, bei einem kleinen Blick in meine Werkstatt zu zeigen, wie die Skulpturen für die Schutzraum Ausstellung entstanden sind.
Da ich unter Zeitdruck sehr viele Skulpturen geschaffen habe, war es mir leider nicht möglich, die Entstehung jeder einzelnen Skulptur mit einer großen Zahl an Bildern zu dokumentieren.
Relativ gut dokumentiert habe ich die größte Skulptur der Ausstellung, Magnicaulis squamatus.
Diese unterscheidet sich von allen anderen Steinblüten, weil sie nicht auf einem Stengel frei schwingt, sondern, abgesehen von der Sockelplatte, ganz aus Stein besteht.
Gedacht war diese Steinblüte als Blickfang für das Sparkassenfoyer außerhalb des eigentlichen Ausstellungsraums im Kunstgewölbe.
Daher musste sie zum einen größer sein als die anderen Steinblüten, zum anderen sollte sie, da in der Passage in der sie aufgestellt wurde, normalerweise reger Publikumsverkehr herrscht, auch unempfindlicher sein, als diese.
Zu dieser Skulptur inspiriert haben mich Orchideen der Gattung Serapia. Warum diese auf deutsch Zungenstendel heißen sieht man auf diesem Bild.
Im Allgäu dürfte diese Pflanze, die hauptsächlich in südlicheren Gefilden vorkommt, eher selten sein.
Die Verbindung zu der Ausstellung ist vielmehr die, dass mich mein Schwiegervater, bei einer botanischen Exkursion in Umbrien darauf aufmerksam gemacht hat.
Der Zungenstendel sieht für den Laien, auch für den der imstande ist, Frauenschuh- und Knabenkraut Orchideen zu erkennen, nicht unbedingt wie eine typische Orchidee aus, und fällt trotz seines bizarren Aussehens in einer Blumenwiese voll blühender Blumen nicht sofort auf.
Wenn man ihn allerdings erst ein mal kennt, sticht er einem sofort ins Auge.
Auf alle Fälle ist er eine faszinierende Pflanze, die man sich ohne weiteres auch auf einem fremden Planeten vorstellen könnte.
Für mich als Bildhauer natürlich eine Inspiration.
Für die Umsetzung von einer etwa 30 cm kleinen Pflanze zu einer Skulptur von knapp 2.20 m Höhe musste ich mir natürlich etwas einfallen lassen.
Zunächst war es nötig, die doch recht komplexen Formen des Originals in vereinfachter Form auf den Stein zu übertragen.
Eine andere Arbeit, die auch noch ganz am Anfang erledigt werden muss, ist das Bohren des Dübellochs, für die stabile Verbindung mit der Sockelplatte (unten im Bild).
Wenn die Bearbeitung so fein geworden ist, dass die einzelnen Blätter transparent werden, ist es dafür zu spät. Die Bruchgefahr durch die Vibrationen der schweren Bohrmaschine wäre zu hoch.
Ich habe die Marmorstele ins Freie gebracht, wo ich bei Tageslicht arbeiten kann, und der Wind den Staub wegweht.
Mit den ersten Einschnitten habe ich die Lage der Blätter festgelegt.
Noch sind diese nicht gerundet und das Ganze gleicht eher, einer großen Laubsägearbeit oder einem Cut Out als einer Pflanze.
Hier habe ich die oberen Blätter auf einer Seite bereits leicht gerundet, während die unteren Blätter doch noch ziemlich eckig sind.
Und hier die ganze Skulptur von der unteren Seite.
Der Stengel ist bereits gerundet, genau so wie die Blätter.
Aber noch bin ich weit von der fertigen Skulptur entfernt, dafür braucht es noch tagelange Feinarbeit.
Wie gesagt, die einzelnen Blätter sollen ja, zumindest in ihren äußeren Bereichen, transparent werden.
Das Problem dabei ist, dass der Stein immer noch ziemlich schwer ist, und die feinen Teile leicht abbrechen können, wenn man ihn zur Bearbeitung hin- und herdrehen muss.
Um das Drehen des Steins nach Möglichkeit zu vermeiden, arbeite ich folglich in allen möglichen, teilweise ziemlich unbequemen Lagen.
Nachdem die grobe Bearbeitung beendet und die Form einigemaßen erreicht ist, habe ich die Skulptur aufgestellt.
Sie hat erheblich an Gewicht verloren, und ich bin froh, dass nichts abgebrochen ist.
Sieht doch schon ganz schnucklig aus, oder?
Leider trügt der Schein, denn erst jetzt geht die Feinarbeit los.
Die Blätter müssen eleganter geformt und zueinander in Bezug gesetzt werden.
Der Raum zwischen den Blättern und dem Stengel muss ausgehöhlt werden, um Tiefe und Transparenz zu gewinnen.
Für die Bearbeitung der oberen Bereiche werde ich mir ein Gerüst aufbauen, damit ich einigermaßen bequem arbeiten kann.
Da die einzelnen Blätter ein wenig wie Schuppen übereinander liegen, zumindest ist dies mein Eindruck, habe ich die Skulptur "Magnicaulis squamatus" gennant.
Und so wurde aus dem "Zungenstendel" der "Große Schuppenstengel".